„You can’t pour from an empty cup.“
Dieses Zitat bedeutet so viel, wie „aus einer leeren Tasse kann man nicht schöpfen“. Damit werden aktuell in den sozialen Medien erschöpfte Mamas zu mehr Selbstfürsorge – in Form von regelmäßigen Auszeiten von Kind und Kegel – aufgerufen.
Leuchtet mir ein.
So gönne ich mir regelmäßig eine kleine Flucht vom Alltag, in dem ich mir das Bild von meiner sich füllenden Tasse vor Augen führe. Ich aale mich in der Badewanne, mit Zeitschrift, Tee und Kerzenschein, setze mich alleine mit Notizbuch für meine Gedanken in’s Café oder lass es richtig krachen und gehe stundenlang in die Therme. All das tut mir unglaublich gut. In Gedanken nur bei mir sein zu dürfen und mich nicht um 3 andere kümmern zu müssen, ist schon unendlich erholsam. Dazu noch die schönen Aktivitäten, bei denen ich mich so ganz als ich, Frau und nicht nur als Mutter fühlen darf. Herrlich! Danach bin ich so entspannt, freue ich mich jedes Mal und denke mir „jetzt hast du es geschafft, jetzt wird alles leichter!“
Doof nur, dass der Aufprall im Teesatz am Tassenboden nicht lange auf sich warten lässt: die nächste schlecht geschlafene Nacht, das nächste kranke Kind oder einfach nur der ganz normale Mama-Alltag zwischen Kleinkindern mit intensiven Bedürfnissen, Haushalt & Mental Load. Ach, von der Arbeit gar nicht zu sprechen… Die gibt’s ja auch noch! Jeder einzelne dieser Punkte eigentlich ein Vollzeitjob.
So langsam dämmert mir, warum mir diese omnipräsente Aufforderung an Mütter zu mehr Selbstfürsorge, so bitter aufstößt:
Es ist einfach zu viel! All diese Aufgaben passen auf keine Kuhhaut, äh, Verzeihung, Mamaschulter… Selbst wenn der Partner viel übernimmt und wir Frauen stark und als Mamas stärker sind. Einfach weil wir müssen. Es ist ein einsamer Job, mit viel Verantwortung. Dank der Emanzipierung dürfen wir AUCH arbeiten gehen, allerdings wurde diese Rechnung ohne die Antwort auf die Frage gemacht, wer dann die ganze „Arbeit“ macht, die zuhause so anfällt. Quatsch, die Frage hat sich einfach niemand gestellt! Die (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit von uns Frauen kam einfach dazu, ohne dass jemand anderes unsere sonstigen Aufgaben abgenommen hat. Wer auch?
Die vermeintlich geniale Lösung dieses Dilemmas ist das Auslagern an externe Dienstleister.
Wir übertragen geschultem Fachpersonal einen Teil unserer Aufgaben, in der Hoffnung, dadurch die große Entlastung zu erfahren. Angefangen bei der Betreuung für unsere Kinder in KiTa’s, bei Tagesmüttern oder anderen Einrichtungen. Klar sind die Kinder dann ein paar Stunden am Tag versorgt und Mama hat Zeit zu arbeiten. Denn – Gott bewahre – wer gibt schon seine Kinder in die Betreuung und muss NICHT Arbeiten?
Das erfüllt jedoch nur einen Bereich der Mama-Aufgaben und nimmt nichts von den anderen Lasten, wie Haushalt und Management des Lebens aller Familienmitglieder. Im Gegenteil, die steigen eher noch exponentiell an, denn das Ganze will ja auch noch organisiert und tagtäglich durchgezogen werden: von Auswahl des Betreuungsort über Anmeldung bis Etiketten in die Kleidung einnähen, damit sie nicht verloren geht. Da tut sich ein komplettes weiteres Aufgabenfeld auf. Mit Tretminen dazu, wie Kochdienste in der Elterninitiative, die Sommerfestorga oder – vielfach gefürchtet – die Wahl zum Elternbeirat.
Und täglich grüßt das Murmeltier:
Kinder fertig machen, in die Kita scheuchen und weiterhetzen, bis alle Aufgaben, die in die Betreuungszeit passen, geschafft sind. Und dann das ganze Spiel rückwärts. Denn zu lange sollen die Kleinen ja auch nicht bei fremden Menschen sein, wozu haben wir sie dann gekriegt? Nein, jetzt ist Quality Time zu bieten, in dem wir angepasst an die individuellen Bedürfnisse jedes unserer Kinder und natürlich auch pädagogisch wertvoll, am besten gleich zielgerichtet fördernd, den Nachmittag gestalten. Parallel kochen wir dann ein gesundes, nachhaltig eingekauftes, Bioabendessen, um im Anschluss dann Paarzeit zu verbringen oder natürlich eine „Mama-Auszeit“ zu genießen. Damit sich unsere Akkus auffüllen!
Entschuldigung, meine Akkus sind abends so leer, dass ich nicht mal wenn ich wollte die Kraft aufbringen könnte zur Selbstfürsorge!
Da sieht die Me-Time dann so aus, dass ich völlig erschlagen apathisch auf der Couch sitze und mich durch stupide Facebook-Artikel lese oder meinen Instafeed wie hypnotisiert anstarre. Und froh bin, wenn ich mich irgendwann aufgerafft kriege Zähne zu putzen und in’s Bett zu fallen. Nicht, ohne mich über all die Dinge zu ärgern, die ich wieder nicht geschafft habe…
Dann denken wir, machen wir’s richtig schlau.
Und heuern noch ne Putzfrau an, so dass der Haushaltsstapel sich verringert. Bleibt zwar im Alltag irgendwie trotzdem ordentlich was übrig, Kinder machen schließlich nicht nur 1x die Woche Dreck. Aber wir haben zumindest ein besseres Gefühl und können’s auch noch von der Steuer absetzen. Wie die Betreuungskosten, übrigens!
Tja, fehlt eigentlich nur noch eine persönliche Assistenz, die all die kleinen und auch größeren Aufgaben der Alltagsorganisation der ganzen Familie übernimmt. Ihr erinnert euch: „Ich führe ein sehr erfolgreiches kleines Familienunternehmen“?! Ich überlege oft „wer kann mir den jetzt was von der Führung abnehmen“? Keine Ahnung, wie ich eine solche Stelle ausschreiben, geschweige denn bezahlen sollte.
Fast alle von uns müssen arbeiten, weil sonst das Geld für all das ja überhaupt nicht reicht.
Wobei frau bei der Rechnung und dem was hinten dann nach Abzug all der Kosten übrig bleibt, oft weinen will und sich fragt: wofür eigentlich das Ganze?“ Wir drehen uns in einem Hamsterrad der angeblichen „Vereinbarkeit“, in dem wir Frauen uns zermahlen zwischen all den Ansprüchen, die wir und die Gesellschaft an uns stellen. Wir bezahlen dreimal für’s Kinderkriegen: Durch die Auszeit vom Job, das schlechtere Wieder-Einstiegsgehalt und später dann mit einer geringeren Rente. Und damit wir Belastung standhalten, die all das Mama-Sein und Geld verdienen, um die Aufgaben, die wir delegieren (müssen) zu bezahlen, sollen wir uns mehr Selbstfürsorge zugestehen. Ab und zu ne Mama-Auszeit einplanen. Noch ein Punkt auf der ToDo-Liste. Halleluja, das hat mir gerade noch gefehlt! Versteht mich nicht falsch, ich bin voll dafür, dass wir Mamas Auszeiten haben und uns vom Alltagstrubel erholen können. Doch wenn mir eh schon die Murmel kreist, von all meiner Fürsorgearbeit, dann lass ich’s doch lieber, das auch noch für mich selbst zu tun. Denn damit spare ich mir gleich mal ein paar Punkte auf der ToDo-Liste: erholsame Aktivität wählen, besten Zeitpunkt dafür im Kalender sichten, Kinderbetreuung organisieren… Und spätestens da geben doch die meisten von uns auf! Denn sowas braucht 3-fach Zeit: die Planung, die Zeit in der ich das Geld verdiene, um‘s zu bezahlen und dann die in der ich meine Selbstfürsorge dann tatsächlich betreibe! Ich spare also Zeit & Geld, wenn ich’s nicht tue.. Und davon hab ich eh nix übrig!
Damit sind aber die Pflasterchen für die erschöpfte Mutter ja gottseidank noch gar nicht ausgeschöpft:
Wenn es ganz weit gekommen ist und die latente Erschöpfung diagnostizierbar zum Burn-Out ausgeartet ist – gibt’s eine wohlgemeinte Mutter-(Kind-)Kur. Großartige Einrichtung und lieb gemeintes Angebot. Nur: da muss man auch erst mal hinkommen. Die Antragstellung soll schon nicht ganz ohne sein, hab ich gehört. Dann die Organisation des Ganzen: nehme ich die Kinder mit? Wieviele? Wer passt sonst auf sie auf und, ach, kann der Hund auch mit? Nur weil ich weg bin und meiner Aufgaben fliehe, heißt es nicht, dass jemand parat steht, um sie zu übernehmen. Mein Partner muss ja arbeiten. Und klar, könnte man das irgendwie für ein paar Wochen organisieren… Da krieg ich schon das Grauen! Selbst wenn es schön und supereffektiv sein sollte, so dass ich tiefenerholt zurück komme… Wollen wir Wetten abschließen, wie lange das anhält in der Realität des Alltags?
Nein, situative Auszeiten werden die Lösung nicht bringen.
Wir brauchen eine ganzheitliche und DAUERHAFTE Entlastung der Mütter! Fangen wir doch einfach mal beim Naheliegendsten an: Was würde uns Mamas WIRKLICH entlasten? Was würde unser Leben leichter machen? Was wäre echte Vereinbarkeit? Oder einfach nur Wahlfreiheit? Würde es nicht Sinn machen, anstatt in all die externen Dienstleister und Angebote zu investieren, die nötig sind, damit dieser alltägliche Wahnsinn einigermaßen (und auf unsere Kosten) funktioniert, erstmal uns Mamas zu bezahlen? Für all die (Fürsorge-)Arbeit, die wir leisten?
Die Erkenntnis, dass Mama-Sein auch ein – sehr anspruchsvoller, übrigens – Job ist, ist ja nun nicht mehr ganz so neu: wir alle keuchten fassungslos und rissen die Augen auf, als wir lasen, dass die Leistung einer Mutter eigentlich 2,5 Jobs umfasst und all ihre Arbeit das Äquivalent eines Jahresgehaltes von gut 90.000 Euro wert ist!
Und ich höre schon die ganze Zeit im Hinterkopf, die Stimmen schreien: “Ja und die Väter? Sollen mal die Papas Aufgaben übernehmen…!“ Tja, die haben i.d.R. auch schon einen ganzen Job und die meisten Männer, die ich kenne, sind zuhause mehr oder weniger involviert! Auch wenn ich absolut der Meinung bin, dass Männern gut die Hälfte der Fürsorge-Arbeit zuzumuten ist, so geht die Rechnung ja trotzdem nicht auf. Addieren wir alle im Haushalt vorhandenen Jobs – also Fürsorge-Arbeit (2,5), Mama’s Teilzeitjob (0,5), Papa‘s Vollzeitjob (1,0) – kommen wir auf 4 Jobs pro Haushalt! Da kann der Papa gerne die Hälfte der Familienarbeit übernehmen, es ist trotzdem, oder erst recht, zu viel…
Nun also zurück zur Bezahlung der Fürsorge-Arbeit:
Ich würde mal behaupten, dass sich viele Mamas (oder auch Papas) sogar mit einem niedrigeren Elterngehalt zufriedengeben würden. Aber es ist an der Zeit, dass wir diese Form der Arbeit in unserer Gesellschaft endlich würdigen und eine entsprechende Gratifikation in Form von echtem, hartem Geld schaffen. Denn wir (Frauen) bezahlen aktuell dreimal für’s Kinderkriegen: 1. Wenn wir aus unserem Job aussteigen und für deutlich weniger Geld die Fürsorgearbeit übernehmen. 2. Wenn wir wieder in den Job einsteigen und ein deutlich geringeres Gehalt haben, als hätten wir (wie die Männer) „durchgearbeitet“. 3. Wenn dann in der Rente das böse Erwachen kommt und wir deutlich weniger als die Männer bekommen. Selbst schuld, wir haben ja unbezahlte Arbeit geleistet, von der „echten“ Arbeit pausiert und damit auch weniger in die Rentenkasse eingezahlt. Das einfach nur auf’s höchste ungerecht und in der heutigen Zeit, mit dem Wohlstand in unserem Land einfach nur schäbig!
Erlauben wir uns mal einen Moment zu träumen!
Stellen wir uns für ein paar Minuten vor, was es bedeuten würde, wenn es uns gelänge Gelder in unserer Gesellschaft anders zu verteilen:
Kinder zu kriegen wäre kein finanzielles Risiko mehr für uns als Frauen und Familien. Wir wüssten, wir sind abgesichert und könnten uns voll darauf einlassen. Unsere Rolle als Mutter wäre gesellschaftlich anerkannt und genauso viel wert, wie jede andere Arbeit auch. Vom Job zu pausieren wäre kein unkalkulierbares Risiko, mit finanziellen Verlusten, geringerer Wertschätzung und der Angst, nie wieder rein zu kommen. Jede Mama hätte die Freiheit, zu entscheiden, wie es nach der ersten Zeit mit Baby für sie weiter geht. Mamas, die gerne mit ihren Kindern zuhause bleiben, und dort die Arbeit tun wollten, könnten sich das ganz einfach leisten. Keine Mama müsste wegen Geld außer Haus arbeiten und ihre Kinder abgeben, obwohl sie das (noch) nicht möchte. Gleichzeitig könnte jede Mama, die diese Aufgaben gerne delegieren möchte, sie auch gut bezahlen und so guten Gewissens in ihren anderen Job (zurück) gehen. Sie würde ja einen tollen Kita-Platz bekommen, da es genug gibt, weil ein Teil der Mamas die Kinder zuhause betreut. Die Qualität der Betreuungsangebote würde steigen, weil quantitativ weniger nötig wären, diese aber gut (vom Elterngehalt) bezahlt werden könnten.
Unsere Kinder hätten glückliche, ausgeglichene Mamas, deren Arbeit – egal welche – geschätzt und gerecht bezahlt wird. Mamas (oder auch Papas) mit echter Wahlfreiheit. Denn – Achtung! – zwischen den beiden oben genannten Extremen beider Arbeitsmodelle für Mamas gäbe es noch eine weite Bandbreite an Zwischenmöglichkeiten: Mamas könnten sogar BEIDE Jobs in Teilzeit machen… Und die Papas dann genauso, denn das gemeinsame Einkommen ergäbe dann ja ein Ganzes! Und nicht nur ein Halbes, wie das heute ist, weil die Mama per se ja nichts verdient. Außer sie geht – zu ihren 2,5 Jobs zuhause – auswärts auch noch arbeiten.
Ganz neue Familienmodelle würden sich ergeben, mit Platz für (Wahl-)Freiheit und Individualität!
Millionen Mütter (und Familien) wären ruckartig entlastet, kämen aus der Erschöpfung aufgrund der Vielfachbelastung durch die doppelte (und dreifache) Arbeitslast raus und hätten vielleicht sogar plötzlich Kräfte übrig. Ah, was könnten wir mit all dieser Wertschätzung, Zeit und Kraft nur bewirken…? Wir könnten sie in unsere Kinder investieren, in das zwischenmenschliche Miteinander… In Arbeit, soziale Projekte… In eine bessere Welt! Wir würden in unserer Gesellschaft die Menschen (Familien) an oberster Stelle sehen und nicht das Bruttoinlandsprodukt oder was auch immer… Und wisst ihr was? Ich glaube, das wäre trotzdem ganz gut, wenn nicht sogar höher!
Tja, aber – um noch mal so richtig auf dem Boden der ziemlich leeren Tasse aufzuschlagen – leider ist das alles nur eine Fantasie!
Die an vielen „Aber’s“ (von vorwiegend wohlpositionierten und gut abgesicherten Männern) scheitert…
Ich wünsche mir, dass wir kein Aber zulassen. Sondern dass wir eine Vision verfolgen, die besser ist als unser Heute. Warum sollen wir uns als Gesellschaft nicht weiter entwickeln? Menschlichere Ziele formulieren und Glück und Gesundheit an oberste Stelle stellen? Wir wissen, wo die Probleme liegen und was die mögliche Lösung wäre. Und wir wissen vor allem, dass die aktuelle Arbeits- und Verdienstaufteilung in unserer Gesellschaft NICHT gerecht ist! Ich träume davon, dass wir sagen „DAS entspricht unserem Ideal, unserem Leitbild. Wir wollen SO ein Leben. Wir machen das jetzt“. Und dass wir dann einfach los gehen, ohne nach den „Aber’s“ zu schauen oder nach dem „ob“ zu fragen. Sondern nur überlegen, wie wir das möglich machen können!
Bis dahin füll ich nochmal meine Tasse Tee auf und genieße eine kleine Mama-Auszeit…
Das wunderbare Titelbild aus dem ECHTEN Leben hat die wunderbare Carmen von just-your-memories.com gemacht.
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