Neulich spazierte ich, wie jeden Morgen, mit Kind und Hund in Richtung Park. Da das Hundemädchen in 95% der Fälle sehr brav ist und zuverlässig hört, durfte sie ohne Leine laufen. Der Sohn blieb vorerst in Sicherheitsverwahrung im Wagen. Währenddessen hing ich müde meinen Mama-Gedanken nach. Beim Eintritt in den Park kam uns eine Dame entgegen und ich rief das freilaufende pelzige Mädel zu mir. Daraufhin sagte die Dame ganz begeistert: „Oh, der ist aber gut erzogen!“
Glücksgefühle wegen eines Kompliments?!
Boah, diese Gefühle! Ich hatte Gänsehaut, brabbelte dümmlich grinsend voller Freude irgendeine Erwiderung und jede von uns ging weiter ihres Weges… Aber wie ich ging! 5 Zentimeter größer, über’s ganze Gesicht strahlend und mit einer Begeisterung für diese wunderbare Welt! Meine überschwängliche Reaktion auf dieses kleine Kompliment stimmte mich im nächsten Gedankenzug dann nachdenklich. Ich dachte mir, „wenn es dir solche Glückgefühle verschafft ein Kompliment für die Erziehung deines Hundes zu bekommen, wie verzweifelt musst du dann nach solch einer Anerkennung lechzen?“ Und das ist die Erkenntnis daraus, ich lechze nach Anerkennung für das was ich tue: für die Betreuung und Erziehung meines Kindes, mag dieses nun sehr viel oder fast gar kein Fell haben!
Die (Selbst-)Zweifel als Mama
Und ich glaube, es geht vielen Mamas außer mir so. Wisst ihr, als Mama bekommt man nicht viel Anerkennung oder Bestärkung. Man selber zweifelt ständig an sich, vergleicht sich, ist unsicher und stellt sich am Tag 1000x die Frage, ob das was man tut richtig oder gut ist. Mama zu sein ist der härteste (aber natürlich auch schönste) Job, den ich je hatte. Mein kleiner Kollege schreit mich häufig morgens schon an, verwüstet meinen Arbeitsplatz mehrmals am Tag, verursacht mir unendlich viel Arbeit und ich kann es ihm sehr oft gar nicht recht machen… Manchmal sind die Tage, wie Krieg, wo ständig irgendwo neben mir eine Bombe hoch geht und wenn ich ein Feuer gelöscht habe, geht das nächste hoch. Ich tue alles, um es richtig zu machen. Stelle mir 1000 Fragen, recherchiere und zermürbe mir das Hirn, wie ich einen guten Menschen großziehen kann. Es scheint mir als wüssten alle Menschen, denen ich begegne, die Lösung dafür. Mit Kritik und Ratschlägen werfen wir nur so um uns. Wie oft denken oder sagen wir einer jungen Mutter, wie sie etwas besser tun könnte oder was nicht alles (schlimmes) passiert, wenn sie so weiter macht.
<h4>Die kritische Stimme – innen wie außen</h4>
„Wenn du jetzt nicht konsequent bist, dann …! Wenn du hier nicht aufpasst, passiert …“ Natürlich gibt es auch subtilere Formen der Kritik. Ein Blick, ein Kopfschütteln oder eine indirekt formulierte Kritik. Als Mama ist es (fast) nicht möglich es richtig zu machen… In den Augen der anderen. Aber auch in den eigenen. Man zweifelt sowieso, ist sich unsicher und gibt sein Bestes. In manchen Momenten ist das pädagogisch wertvoll, in anderen nicht. Manches ist, wie andere es tun würden oder richtig finden und manches eben nicht. Auf jeden Fall ist es jeden Tag ein Ringen um den richtigen Weg. Und den gibt es wahrscheinlich gar nicht…
Was bedeutet da ein Kompliment?
In diesen alltäglichen Wirren und Kämpfen des Mama-Seins, was bedeutet da ein Kompliment!? Ein Kompliment ist ein Geschenk! Ein Kompliment gibt einer müden, erschöpften, unsicheren Mama neue Kraft. Es schenkt einer zweifelnden Mama Zuversicht und Freude für die Aufgabe ihr/e Kind/er groß zu ziehen. Es kann der entscheidende Moment sein, dass ein schlecht gestarteter Tag sich doch noch zum Guten wendet. Es bestärkt sie in ihrem Ringen um das „Richtige“ in der Erziehung ihres Kindes. Vielleicht ändert es die Einstellung einer genervten Mama gegenüber ihrem Kind und ermöglicht den beiden, sich auf einer entspannten Ebene wieder zu begegnen. Ein Kompliment berührt die Seele einer Mama, lässt ihr manchmal sogar einen Stein vom Herzen fallen. Vor allem wenn es um ihr/e Kind/er geht ist eine Mama (und sicher auch ein Papa) besonders empfindlich. Im guten, wie im bösen Sinne. Eine Kritik trifft tief, aber ein Kompliment hat mindestens genauso eine bedeutsame Wirkung.
Die Umkehr zur Wertschätzung
Ist es möglich, dass wir unseren Fokus von all den Kritikpunkten – die es im Handeln eines jeden von uns ganz sicher gibt und derer wir uns höchstwahrscheinlich auch sehr bewusst sind – abwenden? Und uns auf positive, lobenswerte Handlungen und Tatsachen konzentrieren? Wir alle wünschen uns Wertschätzung und Anerkennung für unser Handeln und wenn es „nur“ (haha) das Mama-sein ist. Wir könnten beobachten, wie liebevoll, humorvoll oder geduldig eine Mama mit ihrem Kind umgeht. Oder zwinkerndes Verständnis zeigen, wenn sie es gerade in diesem Moment nicht tut! Wir könnten hervorheben, was sie gut macht. Oder auch, welche gute Verhaltensweise das Kind an den Tag legt. Wir könnten ein kurzes Kompliment, vielleicht sogar im vorbei gehen aussprechen. Wir können in ein Gespräch versinken und sie bestärken, in dem was sie tut. Es gibt so viele Anlässe und Gelegenheiten für ein Kompliment und wenn es nur ein Lächeln ist…
Ein Beispiel…
Vor wenigen Tagen auf dem Spielplatz begegneten wir einer Oma mit ihrem Enkelchen. Als mein Sohn den kleinen Kerl am Kragen packte, weil er nun auf das Schaukelgerät wollte, ging ich dazwischen und entschuldigte mich für sein Verhalten. Wir kamen dann darüber in’s Gespräch und ich erzählte, dass das zur Zeit häufig vorkomme und mir dieses Verhalten aktuell Sorgen mache. Deswegen sei ich so nah an ihm dran, um jederzeit intervenieren zu können. Sie lachte ganz entspannt und sagte, das sei doch völlig normal. Und dann sagte sie den schönsten Satz, den eine Fremde über meine Kindererziehung je gesagt hat: „Sie machen das sehr gut!“
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