Da eine Geburt ja nicht ein plötzliches Ereignis ist, möchte ich ein bisschen ausholen und in der Schwangerschaft beginnen. Denn die führt ja unweigerlich zur Geburt und vieles, was Mama und Baby während dieser Zeit der maximalen Nähe erleben, hat aus meiner Sicht auch einen Einfluss auf die Geburt. Warum ich mich für eine Hausgeburt entschieden habe, erläutere ich in diesem Blogpost näher: http://leoniejoos.com/blog/post/sicherheit-einer-hausgeburt/. Der errechnete Termin für unser Töchterchen war der 12.8.2018. Die Gyn hätte ihn zu Beginn zwar gerne um 6 Tage nach vorne korrigiert, da ihr der Ultraschall das sagte. Doch Gottseidank war ich dort nach der 12. Woche, so dass eine Korrektur des ET nicht mehr möglich war.
Der Weg zu meiner ganz eigenen Geburt
Ich tat bereits in der Schwangerschaft viel, um mich auf die Geburt vorzubereiten. Schon früh begann ich mit HypnoBirthing zu arbeiten. Vor allem weil mir die Hypnosen sehr gut halfen, wenn es mir körperlich schlecht ging (Übelkeit bis über die 20. Woche, Kreislauf und Erschöpfung, Schmerzen im Beckenbodenbereich …). Aber auch in unsicheren Momenten oder wenn mich Kind 1 und der Hund fast wieder in den Wahnsinn trieben, waren die Hypnosen eine Auszeit für mich. Ich war lange Tage alleine mit Kind, Hund und Haushalt und hätte mich oft schon um 17 Uhr am liebsten einfach in die Ecke geschmissen. So ließ ich sobald er kam den Löffel fallen und übergab alles an ihn. Ich konnte dann mit den Hypnosen schnell und effektiv runter kommen und wieder neue Sicherheit gewinnen. Auch die Atemtechniken und vor allem die Körperentspannungstechniken übte ich. Da ich ja während der Schwangerschaft noch HypnoBirthing-Kurse gab, war ich sehr nah dran. Meine Empfehlungen für die perfekte Geburtsvorbereitung: http://leoniejoos.com/blog/post/die-perfekte-geburtsvorbereitung/ .
Allerdings machte ich mich zum Ende hin, ganz frei und übte nicht mehr mit HypnoBirthing. Ich kann und bin mittlerweile so viel mehr und fühlte mich auch ohne die Techniken vollkommen sicher. Ich wollte die Geburt einfach über mich kommen lassen, loslassen, im Moment leben und ganz instinktiv damit umgehen. HypnoBirthing und die Techniken sind eine großartige Basis für „Geburtskönnen“ und geben viel Sicherheit für die Geburt. Sie nehmen Ängste und helfen ungemein, sich zu entspannen und die Natur tun zu lassen, was sie am Besten kann: neues Leben auf die Welt bringen. Doch ich wollte mit meiner 2. Geburt diese Basis verlassen und mich einfach vom Gang der Dinge mitnehmen und leiten lassen.
Große Sicherheit brachte mir auch meine wunderbare Hebamme, die während der gesamten Schwangerschaft (und dann auch während der Geburt) so viel Zuversicht, Positivität und Selbstvertrauen mitbrachte. Ich wusste, mit ihr ist einfach alles gut! Dazu noch mein starker, ruhiger Mann an meiner Seite. Mehr brauchte ich nicht.
Außerdem hatte ich vom 1. Moment, in dem ich mein Baby spürte, das Gefühl einer Bindung. Ich musste nur an sie denken, schon bewegte sie sich. Später „kommunizierte“ ich auch durch Sprechen und Berührung mit ihr und sie „antwortete“ mir immer. Das gab mir ein gutes Gefühl und viel Sicherheit, dass es ihr gut geht.
Erste Anzeichen: Keine!
So verging nun die Schwangerschaft wie im Flug und umso näher der „Termin“ rückte, umso ungeduldiger wurde ich. Ich weiß, dass Babys in der Regel NICHT zum errechneten Termin kommen. Das trifft nur auf 4% der Kleinen zu. Deswegen habe ich auch im Leben nicht damit gerechnet, dass unsere Tochter am Termin kommen könnte. Doch ich hatte das Gefühl, es passiert so gar nichts, was auf eine bald bevor stehende Geburt hinweisen würde. Keinerlei Übungswehen, wie auch schon bei meinem Sohn. Keine Senkwehen, außer vielleicht 1x. Die Kleine saß auch noch nicht besonders tief im Becken. Und ich wollte doch so gerne „Meilensteine“ erreichen, die mir sagen, dass es bald los geht.
Am 8.8. war meine Hebamme zur Vorsorge da und fand „alles schön“. Ich versuchte, aus ihr eine Aussage heraus zu kitzeln, wann sie mit der Geburt rechnen würde. Doch natürlich blieb sie geheimnisvoll wie die Sphinx „Alles kann, nichts muss“… Wir lachten, denn natürlich kann man eine Geburt nicht vorher sagen! Doch irgendwie hatte mir das Gespräch mit ihr, ihre Zuversicht und einfach nur ihre Anwesenheit total gut getan und halfen mir los zu lassen. Wir verabredeten den nächsten Termin für Sonntag 11 Uhr und ich sagte noch im Spaß zu ihr „Okay, dann machen wir’s da. Du kannst dann gleich hier bleiben!“.
Es geht los…
Am nächsten Abend, Mittwochs, hatte ich in großen Abständen leichte Wehen. Am nächsten Morgen und Abend wieder. Ich freute mich, wusste aber, auch das kann alles bedeuten. Und dass die Geburt in 2 Tagen oder erst 2 Wochen losgehen könnte. Am übernächsten Morgen, freitags, genauso. Ich backte schon mal 2 Zwetschgen-Streusel-Kuchen: einen für uns, einen für die Hebammen. Zur Geburt unseres Sohnes hatte ich einen Apfel-Streusel mit in den Kreißsaal gebracht. Irgendwie fühle ich mich dann „bereit“;-) Freitag abends löste sich das Gebärmuttersiegel. Ein weiterer Meilenstein, ich feierte! Samstags sollte die Hochzeit meiner Schwester im 3 Stunden entfernten Bayern sein. Ich überlegte bis Samstags früh, ob wir noch fahren sollten. Doch vom Gefühl her „fühlte“ ich es nicht und ich hatte mich während der gesamten Zeit auch nie auf dieser Hochzeit gesehen. Also blieb ich zuhause, schaute im Minutentakt auf die Uhr und fieberte mit, welchen Moment sie gerade erleben.
Um 14 Uhr bekam ich wieder – aber zum 1. Mal am helllichten Tag – Wehen. Alle 15-20 Minuten, aber so, dass ich schon ein bisschen veratmen wollte. Wir erledigten unsere Samstagsvorhaben, Baumarkt und brachten die ganze Wohnung absolut auf Vordermann. Ich war umtriebig. Die Wehen blieben. Im gleichen, nichtssagenden Abstand, aber regelmäßig und eindeutig spürbar. Später merkte ich dann, dass ich so nicht würde schlafen können und begab mich in die Badewanne. Jetzt wollte ich’s wissen: nehmen sie Fahrt auf, d.h. Geburt hat begonnen oder verschwinden sie, d.h. noch nicht? Doch das warme Bad änderte nichts. Wehen blieben, aber gleich. Trotzdem hing ich ziemlich lange in der Wanne herum, denn die Wärme tat gut und ich hatte ja so alleine des nachts sonst nichts zu tun…
Als ich aus der Wanne kam, legte ich mich zum runterkühlen in unsere neue (Baumarkt!) Gartenliege und schaute in den Sternenhimmel. Es waren schließlich Sternschnuppennächte und die sollten in der Folgenacht ihren Höhepunkt haben. Wenn ich chon wach war, wollte ich auch gucken. Tatsächlich, ich sah am Nordhimmel eine unglaublich helle, große Sternschnuppe! Und ich wusste, die war für mein Töchterchen, auf dieser würde sie zur Erde gerutscht kommen. Natürlich wünschte ich mir auch etwas…
So musste ich mir nun den Rest der Nacht vertreiben. Es war zwischen 3 und 4 Uhr. Ich legte mich immer wieder auf die Couch, aß und trank, doch im großen Ganzen war’s recht langweilig. Lange Wehenabstände, aber nicht schlafen können. Schön blöd! Zwischen 4 und 5 Uhr machte ich mir einen Film an. „Bridget Jones‘ Baby“ fand ich sehr passend;-P
Irgendwann standen dann mein Mann und Sohn auf, der Hund hatte sich die meiste Zeit zu meinem Mann zum Schlafen gelegt… Treulose Tomate! Wir frühstückten, redeten und planten die Unterbringung von Kind und Hund. Meine gesamte Familie war ja auf der Hochzeit! Gottseidank hatten liebe Nachbarn sich angeboten. Ich schrieb ihnen jeweils und so standen die 1. Um 8 im Schlafanzug bei uns im Wohnzimmer, um unseren Großen zu holen. Der freute sich, wie verrückt und schaute sich nicht um. Mein Mann und ich gingen dann noch eine kleine, langsame Runde mit dem Hundemädchen. Die war so glücklich, dass sie endlich mal BEIDE Menschen nur für sich hatte. Wenig konnte sie ahnen, was an dem Tag noch kommen sollte…
Während jeder Wehe pausierten wir, ich lehnte mich an eine Mauer oder setzte mich auf eine Bank. Und mein treuer Mann ging vor mir auf die Knie und drückte die Akupressurpunkte oberhalb des Fußgelenkes. Das hat er wirklich über Stunden immer wieder gemacht und es half mir toll über die Wehen hinweg. Diese kamen seit morgens immerhin ungefähr alle 9 Minuten. Deswegen hatte ich auch um 8 Uhr die Hebamme angerufen und sie vorbereitet, damit sie um 11 nicht überrascht wird.
Kurz vor 11 brachte mein Mann dann den Hund auch zu einer Nachbarin und wir genossen die Wohnung für uns. Ich ging wieder in die Wanne, alles war sehr entspannt. Dort traf mich dann auch die Hebamme an. Nun wollte ich aber wissen, ob den diese vielen Stunden langsame und gut handhabbare Wehen denn überhaupt etwas bewirkt hatten. Motiviert krabbelte ich also aus der Wanne und ließ den Muttermund tasten: 3 Zentimeter. Jawohl, da passierte was!
Dann verbrachte ich viel Zeit mit umherlaufen, reden und lachen. Die Hebamme zog sich in das Zimmer unseres Sohnes zurück. Sie hatte mir gleich beim Eintreffen gesagt, dass die 2. Rufbereitschaft heute meine andere Lieblingshebamme wäre und ich freute mich so. Alles war perfekt! Wir hatten schöne Musik an. Bei unserem Standesamt-Einmarsch-Lied vergoss ich sogar ein paar Tränchen, „weil es so schön ist“. Ansonsten lief und tanzte ich durch die Wohnung. Okay, ich watschelte eher. Die Wehen veratmete ich stehend mit meinem knienden Mann zu meinen Füßen und dann ging’s eben weiter. Ich schaute mir unsere Bilder vom Schwangerschaftsshooting an, um Glückshormone auszuschütten. Und irgendwann wollte ich gerne wieder in die Wanne. Dort wurden die Wehen sanfter, aber häufiger. Die Hebamme kontrollierte ab und zu nach einer Wehe kurz die Herztöne unserer Kleinen und sie machte das ganz toll. Mittlerweile spürte ich sie nicht mehr strampeln, das hatte sie die Nacht vorher fast mit jeder Wehe gemacht. Ich hatte die ganze Zeit ein sicheres Gefühl, dass es ihr gut geht und sie sich wohl fühlt. Das zeigte sich auch in ihren Herztönchen.
Beim Schreiben merke ich, dass ich ab dem Eintreffen der Hebamme ein bisschen das Zeitgefühl verloren habe und dass die Geburt auch langsam aber stetig an Fahrt aufnahm. In dem Moment kam es mir sehr lange und ruhig, fast ein bisschen langweilig und die Geburt noch sehr weit weg vor. Zweimal wurde mir ganz plötzlich schlecht und ich zog mich in’s Bad zurück um in eine Schüssel zu spückeln. Brechen finde ich ganz schlimm und wollte ich auf keine Fall. Das rief ich meinen Leuten auch zu:„ich mach das nicht“!
Um 14 Uhr rief noch meine Mutter an. Sie, mein Bruder und seine Freundin waren auf dem Rückweg von der Hochzeit. Ursprünglich war die Idee, dass sie noch vorbei kommen und evtl. mit unseren Sohn etwas unternehmen. Mein Mann sprach mit ihr und fragte mich dann, ob sie noch kommen sollen. Ich winkte ab, dachte, es wäre doch irgendwie doof, wenn ich alle paar Minuten eine Wehe habe und in Gedanken abschweife. Ich wollte mich jetzt lieber darauf konzentrieren, auch wenn es noch ziemlich entspannt zuging.
Irgendwann wurde es mir plötzlich ziemlich kühl. Ich trug schon Wollsocken bis zum Knie und kuschelte mich jetzt unter meine Decke auf die Couch. Dort hörte ich auch eine HypnoBirthing-Einheit, konnte aber dabei nicht gut entspannen, den die Wehen waren stärker und im Liegen unbequem. Mir wurde wieder wärmer und ich stand auf, um mich zu bewegen. Die meisten Wehen veratmete ich stehend, auf den TrippTrapp meines Sohnes gestützt oder im Arm meines Mannes. Der half mir auch sehr gut zu atmen und tief im Rachen zu tönen, wie eine grollende Löwin. Nicht laut, aber kraftvoll. Irgendwo musste die Energie der Wehen hin und so ging es gut. Diese nahmen jetzt zu, wurden häufiger und intensiver. Ich musste mich auf sie konzentrieren, aber sie waren immer noch gut auszuhalten. Zwischendurch bewegte ich mich oder sprach mit Mann und Hebamme.
Um halb 3 entschieden wir dann, nochmal zu untersuchen: 8 Zentimeter. Einerseits eine tolle Bestätigung schon einen weiten Weg geleistet zu haben. Andererseits wollte ich natürlich am liebsten „vollständig“ hören in diesem Moment. Ich dachte mir „gut, dann kann es ja jetzt langsam richtig los gehen“. Im Wegdrehen schaute mir die Hebamme in die Augen und sagte „Übergangsphase“. Und da ging irgendwie ein mentaler Ruck durch mich. Ich dachte „Na, die kann ja länger aber auch ganz schnell gehen. Ich mach die nicht lange!“. Meine Hebamme rief die 2. Hebamme an, um ihr den Stand mitzuteilen und dass sie sich nun ohne Stress auf den Weg machen könne. Sie fragte noch, wie sehr sie sich beeilen solle, da sie nicht – wie nachts schon bei einer anderen Geburt – zu spät kommen wolle.
Das große Finale
Die Kleine war noch nicht ganz tief und endgültig in’s Becken gedreht, also fragte ich meine Hebamme, ob es eine Position gäbe, mit der ich sie dabei unterstützen könnte. Auf die rechte Seite. Okay, ich positionierte mich und hielt diese Position, während der gesamten Wehe, obwohl es echt intensiv war. Aber ich wusste, das ist wichtig und spürte auch währenddessen, wie meine Kleine sich eindrehte und noch in der Wehe der Pressdrang begann. Das überraschte mich etwas, aber gut, das kann ja auch eine Weile so gehen. Mit der nächsten Wehe hechtete ich mit Drehung von der Couch und positionierte mich dort auf den Knien. Mein Mann setzte sich auf die Couch und ich stützte mich auf seine Beine, wir hielten uns an den Armen und schauten uns in die Augen. Die Hebamme hatte zwischendrin ganz ruhig Unterlagen ausgebreitet und sagte, sie würde mir – wenn ich wolle – nun in den Wehen zum Dammschutz einen warmen Waschlappen sanft gegen drücken. Natürlich wollte ich, denn mit der nächsten, der 3. Presswehe spürte ich schon das Köpfchen anstehen und sagte ihnen das auch. Ich rief „ich kann das nicht“, denn ich konnte mir in dem Moment wirklich nicht vorstellen, wie das Köpfchen durchtreten sollte. Beide sagten „doch“ und redeten mir gut zu. Ich blickte meinem Mann in die Augen und sah nur Ruhe und die absolute Sicherheit. Mit der nächsten Wehe dachte ich noch „wer hatte eigentlich die beschissene Idee mit der Hausgeburt? Die sollen mich jetzt in’s Krankenhaus bringen“! Als mir dann dämmerte, dass wir das gar nicht schaffen würden und das Köpfchen ja egal wo geboren werden müsste, löste sich plötzlich alles in mir. Ich sagte „das Köpfchen“, die Hebamme sagte „fass hin“ und so wurde unsere Tochter um 14:43 Uhr in meine Hand geboren. Sie hatte die Schultern ran gezogen, so dass sie direkt mit dem Köpfchen kamen. Dadurch kam sie ganz leicht und schnell in einer einzigen Wehe auf die Welt. Die Hebamme nahm sie auf und gab sie mir in die Arme. Dann entfernte sie ihre Glückshaube (sie war bis zum Bauch in ihrer Fruchtblase geboren) und entwickelte die Nabelschnur. Denn die hatte sich die Kleine einmal um’s rechte Handgelenk gewickelt. Unser Babymädchen schrie empört, wurde aber schnell ruhig, weil ich mit ihr sprach und sie überschwänglich begrüßte!
Wenige Minuten später traf dann die 2. Hebamme ein und fand uns alle strahlend auf dem Wohnzimmerteppich vor. Wir waren vollkommen geflasht (siehe Bild), wie schnell das jetzt gegangen war und sehr glücklich, dass es so eine leichte, selbstbestimmte, schöne und entspannte Geburt zuhause geworden ist. Kurz später wackelten wir dann in unser eigenes Bett, wo ich die Kleine zum 1. Mal stillte. Die Nabelschnur durfte auspulsieren und die Plazenta gebar ich eine Stunde später ganz entspannt auf dem Bett durch kurzes hinknien. Dann durfte auch mein Mann die Nabelschnur durchschneiden und die Hebamme führte auf meinem Bauch die U1 bei der Kleinen durch.
Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass ich diese Geburtserfahrung machen und ein gesundes, wunderbares kleines Mädchen in meinem eigenen Umfeld zur Welt bringen durfte. Es war ein Gefühl der absoluten Freiheit! Ich bin überzeugt, dass ich dieses Erlebnis der intensiven Vorbereitung, der Unterstützung meiner Hebamme und meines Mannes und schlussendlich auch der Gnade irgendeiner höheren Macht zu verdanken habe…
Comments