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Fabian Joos

Die Sicherheit einer Hausgeburt

Ja, ich plane eine Hausgeburt. Und nein, ich finde das nicht gefährlich.

In Zeiten, in denen über 98% der Frauen in Deutschland ihre Kinder im Krankenhaus gebären (wie ich beim 1. Kind auch), ist das Thema Hausgeburt höchst emotional besetzt. Und diese Emotionen, die häufig in Vorwürfen, Infragestellung und Kritik an der werdenden Mutter ausgelebt werden, fundieren leider nicht auf aktuellem Wissen, sondern alleine auf Unwissenheit und Ängsten der entsprechenden Person.

Ich wurde für mein Vorhaben bisher noch nicht kritisiert. Die Reaktionen sind erstaunt, verhalten und eher positiv interessiert. Die Menschen, die mich fragen bzw. denen ich das sage kennen mich. Meine Einstellung und meine Arbeit. Sie sagen „wenn nicht du, wer dann!?“ Und sie wissen, dass ich ihnen die Fakten um die Ohren werfen und sie in Grund und Boden argumentieren würde, wenn sie mich deswegen angreifen

Aber ich finde überhaupt nicht, dass ich aufgrund meines Wissens oder meiner Arbeit ein „Exklusivrecht“ auf eine Hausgeburt habe. Im Gegenteil, in Deutschland haben wir (immer noch und gottseidank) als Frauen das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes. Und weil es mir ein Herzensanliegen ist, dass Frauen frei und selbstbestimmt entscheiden können wo und wie sie gebären, möchte ich hier meine Gedanken (und Argumente) für die Sicherheit einer Hausgeburt teilen.


Wohlfühlort

Als allererstes sollte eine Frau den Ort für die Geburt wählen, an dem sie sich am wohlsten und sichersten fühlt. Die Studienlage zeigt eindeutig, dass es für die Geburt am zuträglichsten ist, wenn die werdende Mutter sich in ihrer Umgebung geborgen und beschützt fühlt. Dazu gehören auch die Personen, die sie während der Geburt umgeben. Umso mehr Vertrauen die Gebärende in ihre Begleitung hat, umso besser kann sie sich entspannt auf die Geburt einlassen und umso sicherer verläuft die Geburt für Mutter und Kind.


Betreuungssituation

Dies ist auch der erste Punkt, in dem sich eine Hausgeburt von einer Klinikgeburt unterscheidet. Bei einer Klinikgeburt weiß ich nicht, welches Personal Dienst hat. Ich kenne das medizinische Team, welches meine Geburt begleitet i.d.R. nicht. (Es gibt mit dem verschwindenden Belegsystem noch ganz, ganz wenige Ausnahmen). Dauert meine Geburt länger als 8-12 Stunden bzw. fällt in die Zeit eines Schichtwechsels, werde ich ggf. unter der Geburt plötzlich mit einem komplett neuen Team, anderen Menschen, konfrontiert. Der größte Sicherheitsfaktor für Mutter und Kind ist eine kontinuierliche 1:1 Betreuung durch eine Hebamme unter der Geburt. Das bedeutet, dass mir während der ganzen Zeit eine gut ausgebildete, erfahrene Hebamme zur Seite steht. In Zeiten von Personalmangel in den Kliniken und einem regelrechten Babyboom in den letzten Jahren, ist es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass ich während einer Geburt im Krankenhaus über lange Zeiten alleine (mit meinem Partner) im Kreißsaal bin. Die Überwachung erfolgt anhand des CTG, gelegentlichem „Vorbeischauen“ der Hebamme oder der Möglichkeit das Personal bei Bedarf herbei zu klingeln. Dabei handelt es sich jedoch um keine 1:1 Betreuung, sondern im schlimmsten Fall, um eine 1:3-4 Betreuung.

Bei einer Hausgeburt (oder auch im Geburtshaus) lerne ich das mich betreuende Hebammenteam vor der Geburt kennen. Ich habe mit jeder Hebamme mindestens 1-2 Termine von 1-1,5 Stunden, in denen ich sie kennenlernen, Fragen stellen, Wünsche besprechen und Vertrauen aufbauen kann. Wahrscheinlich ist auch eine der Hebammen meine Vor- und Nachsorgehebamme und begleitet mich während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, d.h. fast 1 ganzes Jahr. Wenn die Geburt losgeht weiß ich, welche Hebamme kommen wird und sie ist ab dem Moment, in dem ich sie anrufe bis nach der Geburt die ganze Zeit bei mir. Sie begleitet mich, hält sich zurück, solange ich und mein Mann alleine zurechtkommen und unterstützt mich, wenn Ängste oder Unsicherheiten auftauchen. Für den Geburtsmoment kommt eine zweite Hebamme hinzu, so dass meine eigentliche Hebamme durch nichts (Dokumentation etc.) abgelenkt, sondern ganz bei mir ist. Hebammen sind die Expertinnen für eine gesunde und sichere Schwangerschaft und Geburt. Wie könnte ich mich besser aufgehoben fühlen, als mit ihnen an meiner Seite?


Überwachung während der Geburt

Die oben genannte CTG-Überwachung während der Geburt wird im Krankenhaus gerne genutzt, um vom Stationszimmer aus mehrere Gebärende gleichzeitig überwachen zu können. So muss nicht in jedem Raum eine Hebamme anwesend sein, sondern eine Hebamme kann mehrere Geburten gleichzeitig kontrollieren. Allerdings wird eine dauerhafte CTG-Überwachung von der WHO nicht empfohlen, da sie keinerlei Einfluss auf die Sicherheit von Mutter und Kind hat. Und die Mutter wird dadurch in ihrer freien Beweglichkeit eingeschränkt (das CTG erfolgt meistens auf dem Rücken liegend, eine ungünstige Gebärposition). Freie Beweglichkeit gilt jedoch als sehr unterstützend für den Geburtsverlauf. Somit wird ein geburtsunterstützender Faktor weggenommen und durch einen nutzlosen, geburtshinderlichen ersetzt, um mit weniger Personal mehrere Geburten gleichzeitig überwachen und dokumentieren zu können (nur für die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses relevant).

Bei einer Hausgeburt werden die Herztöne des Kindes, wie auch von der WHO empfohlen, regelmäßig aber nicht dauerhaft – entweder mit dem Hörrohr oder anhand eines kleinen Doppler-Gerätes – kurzzeitig überprüft. Die Hebamme kontrolliert, ob die Herztöne mit den Wehen abfallen (was vollkommen normal ist) und wie das Baby sich wieder davon erholt. Oder ob sie dauerhaft erhöht sind, was auch auf Stress beim Baby hinweisen kann. Die Kontrolle kann in fast allen Positionen, in denen sich die Mutter befindet durchgeführt werden und sie muss nur für diese Minute still halten. Ihre eigene Wahl der Position und ihre Bewegungsfähigkeit werden dadurch kaum eingeschränkt.


Keine Ortswechsel

Ein weiterer Vorteil der Geburt im häuslichen Umfeld, abgesehen von der gewohnten Umgebung und der eigenen Einrichtung etc., ist, dass ich mit Geburtsbeginn weder irgendwo hinfahren, noch mit dem Neugeborenen den Ort wieder verlassen und nach Hause fahren muss. Während der Wehen einfach bleiben wo ich bin, mit dem weiter machen, was mir gerade gut tut. Ich muss mich nicht in’s Auto zwängen und unbequem wo hinfahren, dort erstmal Konversation betreiben, Dokumente ausfüllen, womöglich meine Wünsche erklären und verteidigen und mich dann auf die neue Umgebung und die fremden Menschen einstellen. Außerdem kann ich mich unter der Geburt frei bewegen, weiß wo was ist und kann meinen Geburtsraum und -ort jederzeit frei wählen (Bett. Couch, davor, Wanne?!). Die Keime, die uns unter der Geburt umgeben sind hauseigene Keime, gegen die mein Immunsystem und damit auch das des Babys bestens gerüstet ist. Ich muss mich und mein Baby nicht anziehen, Temperaturschwankungen und einem unbequemen Transport aussetzen, sondern kann einfach (tage- und wochenlang) nackt mit meinem frischen kleinen Wunder in das nach uns duftende Bettchen kuscheln und mich ganz auf das Kennenlernen und Versorgen des kleinen Wunders konzentrieren. Trotzdem bin ich nicht alleine, denn ich habe ja meine Hebamme(n) an meiner Seite.


Die Risiken -Kaiserschnitt, Dammschnitt und andere Interventionen

Nun zu dem vielleicht „härtesten“ Faktor: den Risiken. Die meisten Menschen denken, eine Hausgeburt sei gefährlicher als eine Klinikgeburt. Dem ist nicht so. Die einzige Antwort darauf ist: sie ist genauso sicher wie eine Klinikgeburt. Dies zeigt der jährliche Bericht für die Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (d.h. Hausgeburt und Geburtshaus; http://www.quag.de/quag/publikationen.htm), sowie eine groß angelegte Studie aus den Niederlanden, wo der Anteil an Hausgeburten stolze 30% beträgt (https://www.bmj.com/content/346/bmj.f3263). Damit seien die 2 relevantesten genannt, es gibt viele weitere (kleinere) Studien aus anderen Ländern, die zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Für die Gesundheit der Mutter ist es sogar zuträglicher außerhalb der Klinik zu entbinden, da sich damit ihr Risiko eine (unnötige) geburtsmedizische Intervention zu erhalten deutlich verringert. Während in Deutschlands Kliniken die Kaiserschnittrate bei durchschnittlich gut 30% liegt (geplant und notfallmäßig), geschieht die bei Hausgeburten, die in die Klinik verlegt werden nur in 5,6% (notfallmäßig). Es ist ein großer Unterschied für mich, ob für fast jede 3. Frau (Klinik) oder jede 20. Frau die Geburt in einem Kaiserschnitt, einer nicht unerheblichen Bauchoperation mit dem Risiko von Komplikationen und gesundheitlichen Spätfolgen für Mutter und Kind, endet. Ich bin froh, dass es die geburtsmedizinische Möglichkeit des Kaiserschnittes gibt und dankbar, dass wir Ärztinnen und Ärzte haben, die sie im Notfall professionell und gewissenhaft durchführen können. Doch bei diesen drastischen Unterschieden und der (großzügigen) Empfehlung der WHO, dass die Kaiserschnittrate maximal 15% betragen sollte, bezweifle ich, dass der Bauchschnitt in all diesen Fällen der „sichere“ Weg ein Kind auf die Welt zu bringen ist.

Das zweite Risiko, dem ich mich im Krankenhaus aussetze, ist das des Dammschnittes. Während bei Hausgeburten ein Dammschnitt in nur 3,9% der Fälle von der Hebamme durchgeführt wird, schneiden (i.d.R.) Ärzte in mindestens 12% der Fälle, also 3x häufiger. Auch hier erklärt die WHO, dass ein routinemäßiger Einsatz von Dammschnitten keinerlei Nutzen hat.


Weitere Risiken, wie dem Einsatz von Wehenmitteln oder Wehenhemmern, Epiduralanästhesien und anderen Schmerzmitteln, sowie der Saugglocke oder Zange unter der Geburt sind zuhause auch nicht gegeben. All diese Interventionen können eine Geburt unterstützen, bringen jedoch auch viele Risiken und Nebenwirkungen mit sich, die meistens gar nicht thematisiert werden, auf die einzugehen hier jedoch den Rahmen sprengen würde. Für Fragen dazu stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung, kann Quellen und hoffentlich auch bald einen eigenen Beitrag liefern.


Gesundheit von Mutter und Kind

Ein Großteil der zuhause gebärenden Mamas (95,1%) und ihre Babys (99,3%) haben nach der Geburt keinerlei Probleme, es geht ihnen sehr gut. Weder die mütterliche noch die kindliche Sterblichkeitsrate ist höher als im Krankenhaus. In ca. 20% der Fälle wird die Gebärende während der Geburt in die Klinik verlegt, z.B. wenn die Geburt sehr lange nicht voranschreitet oder bei ihr bzw. dem Kind Stress und Ermüdungszeichen auftreten. Hausgeburtshebammen sind da natürlich sehr vorsichtig und vorsorglich, um die größte Sicherheit für Mama und Baby zu gewährleisten und schicken daher lieber früher als später los. Deswegen erfolgen fast alle diese Verlegungen auch mit dem eigenen PKW und in Ruhe. Nur bei 1% der Geburten wird tatsächlich notfallmäßig mit dem Krankenwagen verlegt.


Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine gut geplante und betreute Hausgeburt mindestens genauso sicher für Mutter und Kind ist, wie eine Klinikgeburt. Bezüglich der Interventionsrisiken und -folgen ist sie für die Mama sogar deutlich sicherer.

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